Serie: Die größten Irrtümer rund um Beziehungen
Eine(r) für alles für immer!
Dieser Satz dampft ein komplexes Thema auf das Wesentliche ein: Wir machen alles zusammen, müssen die gleichen Interessen haben und brauchen auch keine anderen Menschen zum Austausch. Schließlich müssen wir auch über alles reden können. Natürlich haben wir die gleichen Hobbies. Und das gefälligst mit Freude bis ans Ende unserer Tage!
Auch wenn ich diese Zeilen mit einem Augenzwinkern schreibe, haben sie einen ernsten Hintergrund. Es wird eine hohe Erwartungshaltung geschürt. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Partner / die Partnerin. Du joggst gerne, dein Partner fährt lieber Fahrrad. Wer muss denn jetzt mit Freude (!) auf seine Lieblingsaktivität verzichten? Ein Kompromiss wäre einen Versuch wert: du joggst neben deinem Fahrrad fahrenden Freund her. Ihr habt etwas zusammen unternommen. Aber, hat es auch beiden Spaß bereitet?
Es spricht nichts dagegen, es zu versuchen. Wichtig ist der Umgang mit dem Ergebnis. Wenn es nicht gefallen hat, ist das keine Katastrophe, sondern eine Information.
„Ich gehe wieder mit meiner Freundin joggen und du fährst wieder allein Fahrrad und wir schauen mal, was wir anderes gemeinsam unternehmen können“.
Wenn es doch nur so einfach wäre!
Schließlich lautet die Devise: Eine(r) für alles, für immer! Und so wird aus der Info „diese gemeinsame Aktivität hat nicht gefallen“ eine Kränkung. Oder die „Erkenntnis“, wir passen einfach nicht zusammen.
Diese Beziehungsregel bürdet dem Partner / der Partnerin einiges auf. „Du musst all das leisten, was ich vor unserer Beziehung mit unterschiedlichen Menschen gemacht habe! Meine Zufriedenheit ist nur von dir abhängig.“.
Es gibt Studien über das Thema Zufriedenheit in der Partnerschaft. Daraus geht hervor, dass Menschen, die der Auffassung sind, für ihre Leben selbst verantwortlich zu sein, zufriedener in Partnerschaften sind.
Was heißt das nun für die Regel „eine(r) für alles, für immer!“? Mache ich meine Zufriedenheit und mein Glück von meinem Partner / meiner Partnerin abhängig, führt es vermutlich zu Frust in der Beziehung.
Geteiltes Leid, halbes Leid?
Ebenso brisant ist es, wenn nur ein Teil des Paares nach dieser Regel eine Beziehung führen möchte. Da können die Aktivitäten der anderen Hälfte schnell als Zurückweisung empfunden werden. Natürlich ist es auch ein wunderbarer Nährboden für Eifersucht. „Nie unternimmst du etwas mit mir. Immer nur mit deinen FreundInnen“. Dabei ist es ganz wichtig, die konsequente Missachtung der Regel durch die Worte „nie“ und „immer“ zu unterstreichen.
Aber, im Ernst, „eine(r) für alles, für immer!“ bietet viel Potenzial für Verletzungen. Dabei kann es eine Bereicherung sein, etwas mit anderen Menschen zu unternehmen. Es gibt neuen Gesprächsstoff und evtl. Anregungen für gemeinsame Aktivitäten.
… und für immer!
Bleibt noch der zweite Teil der „Superregel“, das „für immer“. Im Grunde spricht er für sich. Trennung ist keine Option, wer A sagt, muss auch B sagen. Das macht die Partnerwahl allerdings recht schwierig, die Entscheidung nicht sonderlich leicht. Schließlich sollte man es sich gut überlegen, mit wem man sein restliches Leben verbringen muss.
Grundsätzlich finde ich (alter Romantiker) den Gedanken schön, jemanden bis ans Ende meiner Tage an meiner Seite zu haben. Ein „lass es uns ernsthaft versuchen“ schafft dabei mehr Freiraum, als ein „es muss unbedingt klappen!“.
Jetzt ist Schluss!
Ich möchte mit diesem Text einen Denkanstoß geben und aufzeigen, welchen Leidensdruck eine scheinbar unumstößliche Regel hervorrufen kann. Es kann hilfreich sein, sich auf die Suche nach solchen Regeln zu machen, um den Druck aus einer Beziehung oder die PartnerInnen-Suche zu nehmen.
Liebevolle Grüße
Holger von PaarText
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